Konzept

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WOHLVILLE HAMBURG!

Das Konzept liegt derzeit auf Eis, weil die Schulbehörde beschlossen hat, von August 2019 bis Sommer 2023 das Altonaer Struensee-Gymnasium ins Gewerbeschulgebäude auszulagern. Stand: 1.1.2019

1. „WOHL ODER ÜBEL“ – die Vorgeschichte
2. „WOHLVILLE HAMBURG“ – die Idee
3. Wohnen
4. Öffentliche Nutzung
5. Struktur des Projekts
6. Ausrichtung des Gesamtkomplexes
7. Ausblick

1. „WOHL ODER ÜBEL“ – die Vorgeschichte 

Die Gewerbeschule G7 Werft und Hafen in der Wohlwillstraße wird voraussichtlich im Sommer 2018 geschlossen. Damit verschwindet eine der ältesten öffentlichen Einrichtungen St. Paulis, die seit 1870 besteht. Weder Proteste der Lehrer*innen noch eine klare Absage des Sanierungsbeirats konnten die geplante Schließung verhindern. Konkrete Informationen, was die Stadt mit dem Grundstück plant, gab es nicht. Angesichts der drastischen Veränderung von St. Pauli in den vergangenen Jahren, die mit der Ausrichtung auf Events und „Tourismus total“ sowie der Verdrängung langjähriger Bewohner*innen einhergeht, ist nichts Gutes zu erwarten.

Die Bewohner*Innen sind sich aber längst einig: Auf keinen Fall sollte hier ein öffentlicher Ort meistbietend an einen Investor verkauft werden oder die Stadt selbst an den Interessen der Bewohner*Innen vorbei die Zukunft verbauen. WOHL ODER ÜBEL – das ist hier die Frage, wie die Entwicklung der vergangenen Jahre in und um St. Pauli uns alltäglich vor Augen führt.

Verdrängung hat viele Gesichter…

Manchmal kommt sie spektakulär als grober Klotz, meist aber mit schleichender Penetranz. Sie erobert einzelne Wohnungen, ganze Häuser oder Baulücken und durchzieht den ganzen Stadtteil. Sie ist in den Städten allgegenwärtig, aber sie ist kein Naturgesetz. Sie findet nicht nur einfach statt, sondern sie ist gewollt – denn sie ist Teil des Immobilienmarktes. Und sie funktioniert natürlich nur in eine Richtung: die, die wenig haben, müssen denen weichen, die mehr haben – damit die Profitrate stimmt.

Auch in der Mitte St. Paulis steigen die Mieten rasant und verschlingen einen immer größeren Anteil des Einkommens. Die Sozialbindungen von Wohnungen laufen aus und werden nicht verlängert – bis 2021 wird es 40 Prozent der Sozialwohnungen treffen. Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt und Neubauten entstehen vorwiegend für Besserverdienende – in der Regel gleich als Eigentumswohnungen. Das Hamburger Wohnungsbauprogramm, das bei Wohnungsneubauten nur ein Drittel Sozialwohnungen vorsieht, kann den Schwund an halbwegs günstigem Wohnraum nicht aufhalten. Die Folge: Wer in St. Pauli eine bezahlbare Bleibe sucht, wird kaum noch fündig.

Die Verdrängung betrifft gerade auch diejenigen, die ohnehin auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt sind: Obdachlose, die hier leben und nicht von der Straße wegkommen, ALG II-Empfänger, denen das Jobcenter die Miete nicht mehr zahlen will, oder Geflüchtete und Migrant*innen, die hier keinen Ort des Ankommens mehr finden. Aber auch all diejenigen, die ein geringes Einkommen oder eine niedrige Rente haben, gehen in St. Pauli meistens leer aus.

Verdrängung verdrängen… 

Ist Verdrängung unaufhaltsam oder unumkehrbar? St. Pauli bleibt widerborstig. Viele Bewohner*Innen wehren sich gegen steigende Mieten, Vertreibung von Nachbar*innen und die fortschreitende Kommerzialisierung des Stadtteils. Sie engagieren sich auf ganz unterschiedliche Weise: in der Erichstraße streitet die Mietergemeinschaft Kämpf-Erich gegen die Umwandlung in Eigentumswohnungen; die Essohäuser-Initiative konnte zwar den Abriss der Häuser nicht verhindern, jedoch mit einer großen Kampagne und einer Planung von unten viele Vorstellungen aus dem Stadtteil in die Neubauplanungen einbringen, das Rückkehrrecht von Mieter*innen sowie einen höheren Anteil an Sozialwohnungen verankern; viele Nachbar*innen organisierten Unterkünfte für die Geflüchteten der Lampedusa-Gruppe und unterstützten Geflüchtete in den Messehallen; auf einer Betonfläche in der Großen Freiheit schufen Anwohner*innen das Gartendeck als nachbarschaftlichen Gemeinschaftsgarten; Anwohner*innen der Schilleroper entwickeln eigene Ideen zur Nutzung des Geländes und der denkmalgeschützten Stahlkonstruktion; und viele Mieter*Innen nehmen Mieterhöhungen nicht einfach hin, sondern versuchen durch Widersprüche, Mietsteigerungen abzuwehren oder zu verringern. Und das sind nur einige Beispiele.

WOHL ODER ÜBEL – anfangen, bevor es schon wieder zu spät ist…

Mit der Nachbarschaftsinitiative WOHL ODER ÜBEL begann im Mai 2015 im Stadtteil ein lebhafter Prozess zur Zukunft der Gewerbeschule Werft und Hafen. Viele Bewohner*innen beteiligten sich, sammelten Ideen zu dem, was hier fehlt, diskutierten Vorschläge und brachten erste Planungen auf den Weg. Dies geschah auf fünf gut besuchten Nachbarschaftsversammlungen, auf dem Wohlwillstraßenfest mit einem Stand vor der Gewerbeschule zum Sammeln von Wünschen, in unserem für alle offenen Stadtteilwohnzimmer im Art Store St. Pauli, durch die Verteilung von Fragebögen sowie in zahllosen Diskussionen auf der Straße, in Kneipen, an Türen und in Küchen. Außerdem haben wir uns an drei langen Sonntagen gemeinsam mit Aktiven aus anderen Projekten intensiv die Köpfe zerbrochen zu den Themen: Wohnen & Geflüchtete, Organisation & Finanzierbarkeit sowie zu unserem Konzeptentwurf.

Das Ergebnis dieses Prozesses liegt nun nach einem Jahr vor. Es zeigt, wie sich WOHL ODER ÜBEL die gemeinsame Nutzung der Gewerbeschule vorstellt und dient gleichzeitig als Basis, das Konzept gemeinsam mit den Nachbar*Innen auszuarbeiten.

Die Richtung ist klar: für bezahlbares Wohnen und öffentliche Stadtteilräume, jenseits von privaten Profitinteressen und ohne eine Planung von oben über die Köpfe der Bewohner*Innen hinweg – und ohne Abriss des Gebäudes.

Wohl statt übel, oder: das WOHLVILLE HAMBURG!

Wohlville Hamburg Nutzungsverteilung

2. „WOHLVILLE HAMBURG“ – die Idee

Das Projekt Wohlville Hamburg soll ein Ort für Menschen werden, die hier neu ankommen, die in St. Pauli groß oder alt werden und all diejenigen, die es irgendwann hierher gezogen hat. Es soll Raum für unterschiedliche Lebensentwürfe bieten, ein Ort gegenseitigen Respekts sein und Teilhabe für alle am Leben im Stadtteil ermöglichen.

Das Projekt soll ein geschützter Ort zum Wohnen und Zusammenleben werden, um neue Kraft zu tanken und gemeinsam den Alltag zu meistern. Und es soll Ort der Möglichkeiten werden, auf der Neuankommende mit Alteingesessenen Erfahrungen, Wissen und Fähigkeiten teilen, Neues ausprobieren und sich für ein solidarisches Gemeinwesen im Stadtteil engagieren können.

In seiner Namensgebung knüpft es bewusst auch an das Grandhotel Cosmopolis in Augsburg und das Bellevue di Monaco in München an, die hierzulande beispielhaft für neue Orte in einer Stadt des Ankommens sind, und an das droit à la ville, das Recht auf Stadt im Sinne des französischen Philosophen Henri Lefebvre.

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3. Wohnen

Der Anstieg der Mieten und die Knappheit einigermaßen bezahlbarer Wohnungen ist eines der größten Probleme St. Paulis. Ursprünglich auch ein Ankunftsort für Menschen aus aller Welt, ist zudem der Anteil von migran- tischen Nachbar*innen von fast 50 Prozent im Jahre 1990 auf ca. 20 Prozent heute gesunken. Das soll nicht so weitergehen. WOHL ODER ÜBEL schlägt deshalb, wie auch in der Nachbarschaftsbefragung gefordert, folgendes vor:

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Der Bereich Wohnen wird den größten Teil des Gebäudekomplexes einnehmen. Derzeit gehen wir von einem Wohnanteil von 80% der Gesamtfläche aus. Etwa die Hälfte des Wohnraums soll Geflüchteten zur Verfügung stehen. In der anderen Hälfte sollen zum einen Menschen wohnen, die spezielle Unterstützung in ihrem Alltag benötigen, wie beispielsweise Obdachlose oder psychisch Kranke und zum anderen Menschen, die Lust haben sich gemeinsam in dem Projekt Wohlville Hamburg zu engagieren.

Nach unseren derzeitigen Schätzungen gehen wir von gut 3000 Quadratmetern Wohnraumfläche aus. Wenn wir eine Mindest-Wohnfläche von 25 bis 30 Quadratmetern pro Person zu Grunde legen, dann können wir mit maximal 100 bis 120 Bewohnern rechnen. Dazu müssen noch die Gemeinschaftsräume der verschiedenen Gruppen berücksichtigt werden.

Sofern inhaltlich und räumlich möglich, wird auf eine Trennung verzichtet, und alle Wohnbereiche, Wohnformen und Bewohnergruppen sollen möglichst über den gesamten Gebäudekomplex verteilt werden. Teilhabe und soziales Miteinander sind ausdrücklich erwünscht. Einigkeit besteht darüber, dass die Wohnungen zu 100% Sozialwohnungen sein sollen mit einer unbefristeten Sozialbindung.

Wohnen für Geflüchtete/ Neuankommende

WOHL ODER ÜBEL erkundet derzeit, mit welchem Träger die Wohnungen für Geflüchtete im Wohlville Hamburg am besten umgesetzt werden können. Fördern & Wohnen, das zuständige Unternehmen der Stadt Hamburg, halten wir nach der Erfahrung der letzten Zeit als Träger für nicht geeignet.

Von den Wohnungen für Geflüchtete soll ein Teil für unbegleitete minderjährige Geflüchtete zur Verfügung stehen. Hierbei kann es sich sowohl um WGs für Jugendliche handeln, die ambulante Unterstützung erhalten oder um Wohnungen, bei denen sie gemeinsam mit den Betreuenden wohnen. Zusätzlich sollen für die jungen Erwachsenen, die aufgrund ihres Alters die Jugendwohnungen verlassen müssen, Folgewohnungen zur Verfügung gestellt werden. Diese sollen es ermöglichen, dass zumindest einige der hier Angekommenen auch anschließend in St. Pauli dauerhaft wohnen bleiben können.

Wohnen für von Verdrängung bedrohte Menschen

Andere, die schon lange hier leben, sind akut von Verdrängung bedroht.
Ältere St. Paulianer*innen, darunter oft auch Migranten, müssen ihre Wohnungen räumen, weil Rente oder ALG II nicht ausreichen. Älteren Transsexuellen werden Wohnungen gekündigt, aber für sie kann ein Leben ohne Ausgrenzung nur im Stadtteil weitergehen. Obdachlose können nicht mehr auf der Straße leben und brauchen günstigen, barrierefreien Wohnraum. Jugendliche wiederum, die aus St. Pauli kommen und die Wohnung ihrer Eltern verlassen wollen, haben keine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei es als Azubis oder auch als Studierende. Für psychisch Kranke möchte eine sozialpsychiatrische Einrichtung auf St. Pauli wiederum kleinere Wohnungen von ca. 30- 35 Quadratmetern für Einzelpersonen, die einen Gemeinschaftsraum haben.

Wir gehen davon aus, dass sich solche auf dem Wohnungsmarkt benachteiligte Gruppen nicht bereits im Vorfeld mit uns um die Organisation von Wohnraum kümmern können. Deswegen soll mit gemeinnützigen Vereinen zusammengearbeitet werden, auch wäre es denkbar, eine Stiftung ins Leben zu rufen, die Wohnflächen zur Verfügung stellt.

Wohnen für Andere

WOHL ODER ÜBEL denkt in dem Wohnkonzept aber auch an Menschen, die solidarisch mit anderen Menschen leben wollen. Für die das Wohnen einen Ort des sozialen und ökologischen Miteinanders darstellt, der weit über die Verwertbarkeit von einer Mietskaserne hinausgeht. Für Menschen, die nicht nur eine Wohnung haben wollen, sondern den Projektgedanken mittragen und sich an Gemeinschaftsaufgaben beteiligen, die das gesamte Projekt betreffen.

4. Öffentliche Nutzung

St. Pauli Mitte ist zwar bisher von der Welle der Klamotten-, Marken- und Designläden wie im Karoviertel und der Schanze halbwegs verschont geblieben. Kioske und Cafés gibt es allerdings bereits mehr als genug. Öffentliche, nichtkommerzielle Räume und Treffpunkte, die für jeden zugänglich sind, kann man hingegen mit der Lupe suchen. Genau diese wünschen sich die Bewohner*innen des Viertels dringend.

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Deshalb ist es besonders wichtig, das begrenzte Raumangebot der Gewerbeschule zukünftig vielfältig und für alle nutzbar zu machen. Offene Räume fördern die Kommunikation und das Miteinander. Nachbar*innen aus dem Viertel und zukünftigen Bewohner*innen des Wohlville Hamburg bieten sich durch die Kombination von Wohnraum und öffentliche Bereiche neue Orte für gemeinsame Aktivitäten und Projekte.

WOHL ODER ÜBEL schlägt vor, 20 Prozent der nutzbaren Flächen des Schulgebäudes für solche öffentlichen Nutzungen freizuhalten. Zusätzlich sollen die Cafeteria und die Turnhalle im Hinterhof weiter genutzt werden. Die öffentlichen Nutzungen sollen vor allem im mittleren Gebäudeteil Platz finden, einige vielleicht auch im Erdgeschoss zum Paulinenplatz hin. Platz finden könnten hier öffentliche Toiletten, Wasch- und Stillräume, als Angebot für die Spielplatz-Besucher*innen, ebenso ein öffentliches Waschcenter (evt. kombiniert mit den hauseigenem Wäscheräumen der Bewohner*innen). Folgende Nutzungsvorschläge wurden in der Diskussion herausgearbeitet:

Öffentliche Nutzungen im Gebäude

Stadtteilwerkstatt– im Erdgeschoss des Mittelbaus befindet sich bereits jetzt eine große Schulwerkstatt. Der hohe, helle Raum könnte in diesem Sinne weiter betrieben werden. Denkbar ist, die Stadtteilwerkstatt nicht nur als Tischlerei wie im Haus 3 anzulegen, sondern zusätzlich mit computergesteuerten Maschinen auszustatten, wie sie im Fab Lab in der Lerchenstraße zur Verfügung stehen.

Tauschbörse / Umsonstladen– diese Nutzung könnte man an die beiden Hamburger Umsonstläden des Arbeitskreises Lokale Ökonomie Hamburg angliedern. Idealerweise wäre ein Umsonstladen von der Straße aus zugänglich, könnte also im Erdgeschoss zum Paulinenplatz unterkommen.

Anlaufstelle für den Stadtteil– St. Pauli Süd hat mit der GWA am Hein-Köllisch-Platz einen echten Stadtteilladen, der jede Menge Aktivitäten und Hilfen anbietet. So etwas fehlt in St. Pauli Mitte noch und könnte gut im Schulgebäude Platz finden. In dieser Anlaufstelle wäre auch ein Ombudsman oder „Nachbarschaftshausmeister“ denkbar.

Raum für Jugendliche und junge Erwachsene– hieran mangelt es zurzeit auf St. Pauli. Der Wunsch nach einem solchen Raum ist immer wieder zu hören. Er würde von den Jugendlichen selbstverwaltet. Manche möchten übrigens explizit auch einen Treffpunkt ohne Alkoholangebot!

Bibliothek und Unterrichtsraum– hier könnte es z.B. Sprachkurse für Geflüchtete geben.

Beratungen– vorgeschlagen sind bislang drei Arten von Beratungen: bei Behördenkram aller Art für Geflüchtete; bei Firmengründungen für nichtdeutsche Frauen, die es aller Erfahrung nach schwerer haben, sich selbständig zu machen; bei Konflikten, privat oder im Stadtteil.

Sozialpsychiatrische Ambulanz (mit Nachtcafé)– eine sozialpsychiatrische Einrichtung auf St. Pauli könnte hierfür Räume übernehmen.

Raum für Veranstaltungen / Probebühne– hierfür könnte die Aula im Gebäudeteil am Paulinenplatz weitergenutzt werden.

Ateliers / Werkstattplätze / Proberäume– ein Wunsch, der in der Umfrage vernehmbar auftauchte. Im Sinne einer öffentlichen Nutzung sollen aber möglichst keine Räume privat genutzt werden. Man müsste sich also ein Konzept überlegen, wie solche Räume gemeinsam von mehreren genutzt werden könnten.

Öffentliche Nutzungen außerhalb des Gebäudes

Turnhalle für den Stadtteil – Innenräume für sportliche Betätigung gibt es auf St. Pauli zu wenige. Die Halle sollte auf jeden Fall erhalten bleiben.

Cafeteria / Weltkantine – Essen verbindet Menschen. Aus der bisherigen Schulcafeteria könnte eine „Kantine“ für den Stadtteil werden. Ob ehrenamtlich als VoKü betrieben oder als (gemeinnütziger) gastronomischer Betrieb, müsste man schauen. In jedem Fall sollte die Kantine preiswertes, gutes Essen für alle und kostenloses Essen für Bedürftige anbieten. Darüberhinaus könnte sie Kochkurse anbieten.

Garten – der Hinterhof ist zwar nicht sonnenverwöhnt, bietet aber genug Platz für Urban-Gardening-Experimente. Gemeinsames Gärtnern verbindet ebenso wie Essen die Menschen aus der Nachbarschaft. Ideen gibt es bereits einige: Hochbeete, Kompostecke, Gewächshaus, „Pflanzen-Asyl“; dazu vielleicht auch eine Anlaufstelle für Food Sharing sowie für die Sammlung abgelaufener/in Supermärkten aussortierter Lebensmittel.  

5. Struktur des Projekts

Entscheidungsfindung

Im Vorwege ist die Gründung eines Vereins (wie im Gängeviertel und im Centro Sociale) und anschließend einer Planungsgenossenschaft als Dachorganisation/Verhandlungspartner angedacht.

Die konkrete Entscheidung, welche Nutzungen an welcher Stelle in das Gebäude kommen, wie das Projekt finanziert wird, könnte dann von dem Verein bzw. von der Planungsgenossenschaft in Absprache mit dem Stadtteil getroffen werden. Denkbar wäre auch, aus der Nachbarschaftsversammlung eine Stadtteilkommission zu bilden. Allerdings gibt es hierzu noch kein fertiges Modell.

Rechtsform und Organisation 

Wichtig ist uns, dass wir für die Umsetzung des Konzepts eine unabhängige und selbstverwaltete Organisationsform brauchen. Diese soll sicherstellen, dass das Grundstück langfristig der Spekulation entzogen ist und im Sinne dieses Konzeptes genutzt werden kann. Zugleich wollen wir erreichen, dass die geplanten Vorhaben ohne städtische Einmischung selbstverwaltet umgesetzt werden können.

Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Grundstück und Gebäude werden getrennt. Das Grundstück könnte nach dem Konzept des Mietshaussyndikats von einer „Boden GmbH“ übernommen werden, deren Gesellschafterinnen das Syndikat sowie eine Dachgenossenschaft für das Gebäude sind.
  • Eine Stiftung erwirbt Grundstück und Gebäude und verpachtet das Gebäude im Erbbaurecht an die Dachorganisation, wie es die Stiftung Trias macht.
  • Die Stadt verpachtet das Gebäude im Erbbaurecht an die Dachorganisation.
  • Die Dachorganisation, z.B. eine Genossenschaft, kauft Grundstück und Gebäude.

Die verschiedenen Nutzungsgruppen werden Mitglied der Dachorganisation, z.B. einer Genossenschaft. Ein ausgeglichenes Stimmberechtigungsverhältnis zwischen den Bereichen „Wohnen“ und „Öffentliche Nutzung“ wird sichergestellt durch die Organisation aller Nutzungsgruppen unter der gemeinsamen Dachorganisation, innerhalb derer jede Nutzungsgruppe stimmberechtigt ist.

Wir streben eine allgemeine Selbstverwaltung der verschiedenen Nutzungsgruppen an, wobei jede Nutzungsgruppe sich selbst organisiert, zum Beispiel als Verein oder Ähnliches. So ist jede Nutzungsgruppe für die eigene Finanzierung zuständig und verantwortlich.

Finanzierung

Solide Finanzierungskonzepte können wir realistisch erst dann in Angriff nehmen, wenn der tatsächliche Finanzierungsbedarf – Kosten für Erwerb oder Erbpacht des Grundstücks, Kaufpreis und Sanierungs-/Umbaukosten für die Gebäude etc. – ungefähr erkennbar ist.

Wir wollen versuchen, bei der Realisierung der verschiedenen Projekte auch neue Finanzierungsformen jenseits des Standards, z.B. der Förderung durch staatliche Institutionen wie die IFB, zu erkunden und zu entwickeln. Denn für die Vielfalt der geplanten Projekte und Wohnformen könnten sich die gängigen Formen öffentlicher Finanzierung als unzureichend erweisen.

Gelder könnten über verschiedene Wege eingeworben werden: Stiftungen, die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), das Zeichnen von Anteilen an der zu gründenden Planungsgenossenschaft oder Direktkredite wie beim Mietshäusersyndikat.

6. Ausrichtung des Gesamtkomplexes 

Öffnung zum Stadtteil

Das Projekt Wohlville Hamburg versteht sich als neues Modell für die künftige Entwicklung von St. Pauli. Die öffentliche Nutzung des Gebäudes soll einen wichtigen Bestandteil ausmachen und ist darauf angelegt, für und mit dem Stadtteil zu wachsen. Die Selbstorganisation innerhalb der Räumlichkeiten wie auch im Zuge der Versammlungen innerhalb der Nachbarschaft sollen ausgebaut werden. Wohlville Hamburg ist damit auch ein Experiment mit neuen demokratischen Formen: aus dem Stadtteil entstehend – für den Stadtteil!

Solidarität und Selbstbestimmung

Der Charakter des Projekts soll durch soziales Miteinander, Kollektivität und Offenheit definiert werden und die Abhängigkeiten und Diskriminierungen aufbrechen, die den Alltag nicht weniger Bewohner*innen prägen. Die weitere Aufhübschung und Eventisierung des Stadtteils lehnen wir ab. Wir wollen mit unseren Formen des Zusammenlebens und der Gestaltung der öffentlichen Räume zeigen, wie ein selbstbestimmtes Leben auf St. Pauli aussehen kann.

Ökologische Aspekte 

Wir wollen unser Projekt möglichst energetisch unabhängig machen und auf lange Sicht eine günstige Wärme- und Stromversorgung zu schaffen, z. B. durch Solarpanele, Blockheizkraftwerk. Es ist für uns selbstverständlich, das Projekt Wohlville Hamburg in allen Bereichen ökologisch zu gestalten, möglichst auch mit einer Regenwassernutzung. Für das Hier und Heute, und für das Morgen.

Wirtschaftliche Aspekte

„Keine Profite mit der Miete“ ist unser Motto. Wir wirtschaften nicht gewinnorientiert. Eventuelle Überschüsse wie aus der Cafeteria kommen den sozialen Stadtteilnutzungen zugute. Wichtig ist uns, Dinge wie Werkzeuge und Maschinen gemeinsam zu nutzen, mit einer Foodcoop die Versorgung mit Lebensmittel besser zu machen. Ein Umsonst- und Tauschladen soll den Menschen im Stadtteil ermöglichen, weniger kaufen zu müssen. Das Wohlville Hamburg versteht sich als Baustein einer zukünftigen solidarischen Ökonomie auf St. Pauli.

Barrierefreiheit

Das Gebäude ist momentan nicht barrierefrei. Wohlville Hamburg muss für Menschen mit Handycap zugänglich sein. Deswegen muss das Gebäude an beiden Trakten Fahrstühle bekommen. Außerdem wird es für Blinde und Sehbehinderte ein Leitsystem durch das Gebäude geben. Wir werden darauf achten, dass es keine kulturellen Hemmschwellen gibt und dass das Gebäude für alle im Stadtteil einladend ist. Die genaue Umsetzung ist abhängig von den Gegebenheiten des Gebäudes  und kann derzeit nicht im Detail festgelegt werden.

7. Ausblick

WOHL ODER ÜBEL wird in den kommenden Monaten folgende Schritte unternehmen:

  • Weitere Ausarbeitung des Konzepts Wohlville Hamburg
  • Konzept in den Stadtteil tragen, z. B. durch Infostände und Aktionen
  • Gespräch mit der Bezirkspolitik aufnehmen
  • Vereinsgründung, um Entscheidungs-/Verhandlungsstrukturen einzurichten
  • Mögliche Finanzierungsmodelle und Trägerschaften untersuchen

Und so beschreiben es Anwohner*innen in ihren eigenen Worten:

Wohl oder übel: Wir brauchen das Ding! from WOHL ODER ÜBEL on Vimeo.

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